Der Angst begegnen heißt sich selbst begegnen!

Wenn ich mir die Landkarte meines Lebens betrachte, dann ist da eines meiner Hauptprobleme die Angst. Nicht die Angst, die mich vor einer realen Gefahr warnt, denn dies ist keine Angst, sondern Intelligenz; es die Angst schlechthin, unterschwellig immer ganz nahe bei mir: die Angst vor dem Leben, die Angst vor dem Sterben, die Angst zu versagen, nicht zu genügen, die Angst vor der Einsamkeit, die Angst nicht geliebt zu werden und hundert Ängste mehr.

Angst ist von Anfang bis Ende. Sie zerstört jede Freiheit, sie pervertiert jedes Denken, sie zerstört echte Gefühle, sie verhindert jede echte Beziehung: Angst vor Misserfolg, vor Einsamkeit, davor, nicht geliebt zu werden, vor der öffentlichen Meinung und tausend Variationen mehr.

Ängste

Was auch erkannt werden muss:

Gehen wir eine Stufe tiefer, dann findet Angst allein im Denken statt. Von wegen „die Gedanken sind frei!“ Sie sind niemals frei, weil allesamt durch Konditionierungen geprägt. Natürlich kann ich mich von diesen Automatismen befreien, aber dies ist ein Akt der Bewusstheit, der nicht „einfach so“ über mich kommt.

Jeder Konflikt, der nicht tatsächlich gelöst werden kann, löst Angst aus. Da aber ein Konflikt innerhalb seiner Ebene der Entstehung nicht gelöst werden kann, ist die scheinbare Konfliktlösung (der „Kompromiss“, die „Übereinkunft“) lediglich eine Verschiebung des Konflikts, der dann an anderer Stelle wieder aufbricht. Es manifestiert sich eine Dauerangst, einmal stärker, einmal schwächer, die durch Kontrollmechanismen gedämpft werden soll.

Wie kann ich mein Bewusstsein von der Angst befreien? Und zwar jetzt, ohne Zeitfaktor?

Es gibt nur eine einzige Möglichkeit: Nicht vor der Angst zu fliehen, sie zuzulassen, ihr ins Angesicht schauen: Keinen Mut erzeugen, keinen Widerstand, keine Ausflucht, keine Verdrängung, keine Übungen gegen die Angst. Und schon gar kein ein Ideal des „alles soll gut sein“.

Jiddu Krishnamurti